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Neid

Aufgewachsen mit dem guten Ratschlag meines Papas: „mach die anderen nicht neidisch.“ fühlte ich mich oft schlecht. Als Schülerin, der alles zufliegt, als Mädchen, die alles probieren will, als Unternehmerin, der alles gelingt, als Mama, die zwei wundervolle Kinder geschenkt bekommt, als Frau mit einem phantastischen Mann an ihrer Seite - was läuft hier falsch? Sind das nicht alles Dinge, für die ich mich schämen muss, weil sie den Neid anderer anlocken?


Das Schlimme an all diesen Goldstücken, die ich mein Leben lang sammelte ist, dass sie mir vermeintlich zugefallen sind. Manche würden sagen, die musste sich nicht mal dafür bücken. Tatsächlich habe ich manchmal selbst das Gefühl, ich muss mein Kleid nur aufhalten und schon fallen die Sterne in meinen Schoß.

Dass ich oft hart gearbeitet habe, sieht man selten. Vielleicht sehe ich es selbst nicht. Ich habe im Schlaf gearbeitet oder im Dunkeln, im kalten Schnee oder nur gegen mich selbst. Meine Kämpfe führte ich leise im Verborgenen. Sie haben mich Kraft gekostet, aber das zeigte ich nie. Trainieren ist für mich eine Selbstverständlichkeit und eine Freude. Ich beklage mich selten, nehme die Herausforderungen gern an. Ich schwitze wenig und regeneriere schnell. Vielleicht ist es das, was Neid hervorrufen könnte. Dinge einfach annehmen und machen.





Die Frage, die ich mir heute stelle, als diese Zeilen mit Leichtigkeit und wie durch Wunderhand auf das Papier fließen. Wen soll ich eigentlich nicht neidisch machen? Meinte mein Papa mit die anderen mich selbst. Sollte ich für mich zuerst akzeptieren, dass ich ein Glückskind bin, hier im Sonnenschein sitze und die Dinge mir zufallen wie bunte Blätter im Herbstwind. Ich verstehe es selbst nicht, dass ich gefühlt wenig tun muss, weil ich viel gewohnt bin. Das was für mich leicht ist, ist oft mehr als Mittelmaß. Mein Anspruch ist die Einzigartigkeit, deshalb ist Normal für mich schnell gemacht.


Die zweite Frage, die sich aus dem Rat stellt, kann ich jemand anderen überhaupt neidisch machen? Ich selbst vergeudete viele Stunden meines Lebens mit Neid. Ich ärgerte mich über die schöneren Klamotten von hübscheren Frauen, sah glücklichere Familien und Kinder, die noch besser spielten, schaute zu größeren Häusern auf, fühlte mich schlecht, weil es schnellere Autos und bessere Unternehmer gab.


Als ich begann mich selbst zu bewundern, für all das, was ich habe und gut kann, verflog der Neid. Die Wolken, die meine Sicht vernebelt hatten, lösten sich auf und gaben mir den Blick in den klaren Himmel frei. Ich sah die vielen wunderschönen Sterne in meinem Universum.


Ich befreite mich von meinen eigenen Erwartungen und begann zu lieben was ich habe. Wenn ich jetzt noch liebe, wer ich bin, kann ich diesen Satz meinem Papa getrost zurückgeben. Ich habe viel daraus gelernt und bin jetzt frei von mir, meinen Ängsten, Zwängen und der Verantwortung für andere.


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